More than meets the Eye ‒ Martin Klimas
-Betrachtet man seine Bilder genauer, ist ihnen allen eine horizontale Teilung gemein. Die obere Hälfte der Bilder entsprechen immer einem klassischen Stilleben, zeigen sich in nahezu statuarischer Ruhe, während die untere Bildhälfte in absoluter Opposition dazu steht. Hier zeigt sich Bewegung, Auflösung und scheinbares Chaos.
Der Düsseldorfer Künstler schiesst mit einem von ihm entwickelten Hochdruckschußgerät auf das vorher sorgfältig in Position gebrachte Ensemble aus Blume und Vase, und die Kamera - ausgelöst durch das Geräusch des Einschusses - macht ein einziges Foto. Dieses Foto findet nur dann Eingang in Martin Klimas neue Serie, wenn es folgendes Kriterium erfüllt: die Einheit von absoluter Ruhe und Bewegung in einem Bild.
Es ist der Moment des Gleichzeitigen, welcher die Bilder auszeichnet, der offensichtliche Widerspruch der Visualisierung eines Vorher und Nachher in einem Bild. Mit unseren Augen können wir nur die Entweder/Oder-Zustände erfassen: die Vase ist intakt und mit Wasser gefüllt oder die Vase ist zersprungen und das Wasser ist ausgelaufen. Klimas zeigt uns in seinen Bildern aber genau den Zustand dazwischen. Es ist genau diese tausendstel Sekunde, wo die Blume noch aufrecht in der Vase steht, der Wasserspiegel noch ruhig und unberührt daliegt, gleichzeitig aber schon Teile der Vase vollständig zerstört sind und sich das Wasser ungebremst im Raum verteilt.
Die Erfassung dieses transistorischen Moments definiert geradezu überspitzt die Zeugenschaft des fotografischen Mediums. ‘Es ist so gewesen’, diesen Satz von Roland Barth muß man hier noch um ‘auch wenn wir es mit bloßem Auge nicht sehen können’ erweitern.
Im Zeitalter der digitalen Fotografie und ihrer Möglichkeiten der computerisierten Nachbearbeitung steht man fast ungläubig vor der ‘one shot, one photo’ Konzeption von Martin Klimas.